Schickhardt Untersuchungsbericht

Heinrich Schickhardt’s Untersuchung
des Stockerbaches und des Glattbaches

Beschreibung der Untersuchung von Heinrich Schickhardt auf Flössbarmachung der Bäche Stockerbach und Glatt im Oberlauf 

Heinrich Schickhardt
Heinrich Schickhardt

In vielen Städten wird an den Baumeister und Architekten Heinrich Schickhardt und seine Bauwerke erinnert. Schickhardt hat sich jedoch noch vielfältiger betätigt. Er hat Maschinen wie die Drahtziehmaschine in Christophstal, sowie Wasserpumpen und Mühlen konstruiert.
Ein weiteres Berufsfeld von Schickhardt war im Wasserbau die Begradigung von Fließgewässern.
Für den Schlossbau und die Beheizung der Schlösser wurde in Stuttgart viel Holz benötigt. Auch wurde von der Bevölkerung im dicht besiedelten Gebiet um Stuttgart viel Brenn- und Bauholz gebraucht.
Die Transportmittel waren über Land der Ochsenbespannte Wagen oder über die Flüsse die Flöße.
Im Auftrag der Herrschaft untersuchte er den Neckar zwischen Heilbronn und Cannstatt auf Schiffbarkeit und viele kleine Flüsse und Bäche auf die Flößbarkeit. Die Flößbarkeit wurde dadurch hergestellt, dass die Fließgewässer begradigt wurden, störende Steine und Klippen entfernt und damit ein störungsfreier Lauf hergestellt. Außerdem mussten Stau- und Schwallwehre gebaut werden um den Wasserstand und die Fließgeschwindigkeit für die Dauer des Flößens zu erhöhen.
Um dies zu realisieren waren im Vorfeld Untersuchungen notwendig, um erstens die Durchführbarkeit der Baumaßnahmen zu überprüfen und zweitens die für diese Baumaßnahmen notwenigen Kosten zu ermitteln. Wichtig war natürlich auch die Feststellung des Nutzen-Kostenaufwandes.
Welches Material mit welchem Materialwert sollte durch die Flößerei transportiert werden.
Alle diese Kriterien hat Schickhardt für den Stockerbach und die Glatt im Oberlauf ab Aach überprüft auf der Grundlage von bereits vorhandenen Voruntersuchungen. 
Ab 1604 kam hierfür auch der Weiler Wald als Holzlieferant in Frage. Der Weiler Wald, ist ein großes zusammenhängendes Waldstück um Pfalzgrafenweiler, von Cresbach bis Erzgrube, von Musbach bis Grömbach und von der Erzgrube bis Hallwangen an der Grenze von Obermusbach vorbei. In großen Teilen liegt er zwischen dem Zinsbach und der Nagold.

Karte vom Weilerwald
Karte vom Weilerwald

Weiler Wald Karte von Johannes Oettinger. Hauptstaatsaarchiv N3 Nr. 21 Permalink

Karte von Johann Mayer
Karte von Johann Mayer

Weiler Wald Karte von Johann Majer. Mit Eintrag des Belzen Steig. Hauptstaatsarchiv Stuttgart N7 Nr. 60 Permalink

Bis 1419 war der Weiler Wald im Besitz der Grafen von Eberstein, dann wurde er geteilt und die Ebersteiner verkauften die nördliche Hälfte an den Markgrafen von Baden. Die Grenze wird 1561 versteint und die Grenzsteine dieser Teilung sind am Grenzweg noch vorhanden. 1421 verkauften die Ebersteiner die ihnen verbliebene südliche Hälfte zusammen mit Pfalzgrafenweiler, Besenfeld die Hälfte von Grüntal und die Dornstetter Hardt an die Württemberger.
Mit Vertrag von 1605 verkauften dann auch die Markgrafen von Baden den nördlichen Teil des Weiler Waldes mit Altensteig und Liebenzell an die Württemberger.

Schickhardts Karte vom Stockerbach
Schickhardts Karte vom Stockerbach

Karte vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart N220 T28-01 Permalink


Aus dem Staatsarchiv liegt ein Bericht von Heinrich Schickhardt vor, in dem er die Flößbarmachung von Stockerbach und Glattbach im Oberlauf bis nach Aach überprüft.
Dieser Bericht ist in zwei Teilen hinterlegt. Er besteht aus 3 [2] und 6 [3] Blätter die nachträglich nummeriert wurden. Die Blatt-Nr. 4 fehlt. Die einzelnen Blätter sind in der Mitte unterteilt und auf einer Seite in zwei Spalten beschrieben. Leider ist eine Reihenfolge der Seiten schwer nachvollziehbar und die Schrift oft schwer lesbar.
Hier wurde deshalb versucht im Folgenden einen Extrakt aus diesem Bericht in verständlicher Form zu bilden. 


Kammerrat Erhard von Rammingen‘s Bericht von 1607:

Holzflösen 

Im Altensteiger Forst stehen im Weiler Wald bei dem Sandgrund[4] und oberhalb herum viele große Buchen, deren eine auf 6 oder 8 Clafter[5] Holz geben wird. Die abseits gelegenen Buchen verfaulen im Wald. 

Bericht von Doktor Jacob Haug, Waldvogt von Nagold und Forstmeister von Altensteig[6]
Gleichwohl der Ursprung des Glattbächles oberhalb des Weiler Waldes liegt, ist es nur ein kleines Gesig (kleine Quelle) und erst nach dem der Angelbrunnen und auf der anderen Seite der Pfaffenbrunnen dazukommt, es alles erst ein wenig anfängt zu fliesen.
Wenn gleich Wasser vorhanden ist, so müsste man doch auf eine halbe Meile einen Graben machen und zum Flößen viele Schwallen bauen, welches mit sehr großen Kosten verbunden ist.  
Jacob Haug schreibt :
Da ich die Holznutzung beschreiben soll, so könnte man den Forstmeister von Altensteig, den Waldvogt zu Nagold, den Forstmeister von Wildbad samt den Schultheißen zu Kalmbach, der sich um dergleichen Flößen wohl versteht und auch darin eine lange Erfahrung hat, von den Kammer- oder Oberen-Herren zu ihm hinauf schicken um das Werk zu beraten.
26. Oktober 1607 Jacob Haug D. 

Es folgt:
Was aber die großen Buchen und das Laubholz im Weiler Wald und den anderen um die Nagold hinauf gelegenen Waldungen betrifft, ist es nicht ohne das dort solche hohen und großen Buchen in merklicher großer Anzahl stehen, die bis auf 8 – 12 Clafter Holz geben. Welche, da sie um der Tannen willen umgehauen oder sonst vom Sturm gebrochen oder vom Wind umgeworfen sind, nun liegen bleiben und verfaulen, aber auf dem Wasser der Nagold (darauf der Weiler Wald hinab stößt) gar wohl zu Nutzen kommen kann.
Und wenn es zu Pforzheim[7] nicht aufgehalten würde, könnte es bis in das Stuttgarter und Cannstatter Amt weggebracht werden, wie solches auch vor 20 Jahren geschehen ist.
Man kann es auch Scheiterweis einwerfen und bis gen Wildberg oder Calw flößen, dort aufsetzen und hernach durch die Bauern im Gäu nach Stuttgart auf der Achse fahren.
Allein es mangelt daran, dass der Herr Markgraf es nicht zulässt, es durch Altensteig zu transportieren. Es wäre jedoch möglich, bis Altensteig zu flößen, es dort aufzusetzen und in das Herrenberger Gäu zu verkaufen. 
Zu den Buchen darauf der von Ramminger Andeutung tut, oberhalb des Weiler Waldes, das sie ohne Kosten auf den Bach der Glatt füglich zu bringen sind, so ist der Wald obenherum und auf der Ebene gegen das Glattbächle mit Tannen besetzt. Daraus die Buchen zu Winter Zeiten mit Ochsen stückweise in die Aach geführt werden und dort zu Halbgestör[8]  gemacht und durch viele Schwallungen und gemachte Teich nach und auf dem Neckar hinaus geflößt werden. Wenn alles Holz zusammengebracht wurde wird es erst zu Horb angebunden und zu einem ganzen Floß gerichtet.
Aber die Buchen im Weiler Wald, welche am Talrand gegen die Nagold und im Sandgrund stehen, sind bisher zu allerhand Werk- und Geschirrholz den Schaufelmachern verkauft worden. Diese sind bei den vier Stiegen hinab und dann den Sandgrund zu hinaus, vom Sandgrund den Bezersteig[9] oder Brandescher Halden [10] hinauf (da es sonstens keinen anderen Weg gibt) bis an das Glattbächlein.   

Ausschnitt Sandgrund
Ausschnitt Sandgrund

Ausschnitt aus nebenstehender Karte mit Lagebestimmung des Sandgrund

Altensteiger Forst
Altensteiger Forst

Karte vom Altensteiger Forst von Johannes Oettinger, Hauptstaatsarchiv Stuttgart N3 Nr. 1/26 Permalink

Die Untersuchung  wurde durch Herzog Friedrich veranlasst, der 1607 zu den Berichten von Ramminger und Haug folgenden Kommentar schrieb: 
Wir wollen zuvor einen Bericht haben, wie hoch wir dergleichen große Buchen vom  Stamm verkaufen können oder sonst zu besseren Nutzen daraus haben können. Wenn wir solchen Überschlag haben, wollen wir es hieraus resolvieren (beschließen).

Text von Herzog Friedrich
Text von Herzog Friedrich

Text vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart N220 T28-02 Permalink 

Darauf berichten sie dass die großen Buchen im Weiler Wald am Stamm nur an die Schaufelmacher von Pfalzgrafenweiler und Durrweiler verkauft werden und nicht mehr als 7 Schilling[12] bringen.
Die großen Buchen, der Stamm 32 Fuß lang, kann zu Altensteig oder Wildberg aufgesetzt und verkauft werden. Es ist auch möglich ohne Verwendung der Mühlenwehre das Holz bis über Liebenzell zur Enz und nach Bissingen zu flößen. Dort kann man es aufsetzen und nach Cannstatt und nach Stuttgart fahren. Dieser Weg ist besser als mit großer und fast unmöglicher Mühe auf die Glatt hinauf, von da erst durch die Aach auf die Glatt bis zum Neckar, über Neckarhausen und danach Horb und Rotenburg den Neckar hinab bis gen Berg in den Mühlgraben zu flößen.
Aus dem Stamm ist sonst nichts als Scheiterholz zu machen und dieses, wenn die Nagolt Hochwasser hat, bis gen Altensteig, Nagold und Wildberg zu verflößen.[13]
Für jedes Clafter zu hauen und bei der Nagolt aufzusetzen erhält der Herzog 5 Bazen[14]. Danach kann das Holz durch die Untertanen im Amt Altensteig im Frohn bis oberhalb Altensteig geflößt und rausgezogen werden.
Das Clafter kann dann in Stadt und Amt Altensteig um 3 Kreuzer verkauft werden. Nach außerhalb des Amtes für 1 Gulden.
In Wildberg kann das Clafter Holz zu 3 Gulden verkauft werden, wobei allerdings der Flößer 2 Gulden davon bekommt. 
Wenn die Nagold begradigt und flößbar gemacht wird ist es möglich, dass das Clafter Holz zu Altensteig um 1 Gulden verkauft wird. Da es aber bis gen Nagold geflößt wird, ist es auch möglich, dass das Clafter zu Herrenberg und Tübingen zu 3 Gulden und in Wildberg zu 2 Gulden verkauft wird.
Den 13. November 1607Waldvogt zu Nagold Forstmeister zu Altensteig 

Vermutlich haben Herzog Friedrich die Berichte von Ramminger und Haug nicht ausgereicht. Eventuell auch deshalb, weil Haug als Waldvogt von Nagold nicht unbedingt neutral war und vorrangig die Interessen seiner Region verfolgte. So dass er Schickhardt mit einen abschließenden Bericht beauftragt hat.
Schickhardt benutzte für seine Untersuchung die vorausgelaufenen Untersuchungsberichte von dem Kammerrat Erhardt von Rammingen und dem Waldvogt von Nagold und Forstmeister von Altensteig D. Jacob Haug. 
Er fertigte eine heute noch vorhandene Skizze des Gebietes ab Aach bis zur Glattquelle an. Diese Skizze versah er mit Zeitangaben für die Fußwege nach den benachbarten Orten und die Floßlaufzeiten bis nach Aach.
Den Lauf des Stockerbach verfolgte er nur bis Obermusbach und nicht darüber hinaus bis zur Quelle des Stockerbach. Dies lag vermutlich daran, dass 1607 zwischen Untermusbach und Obermusbach noch die politische Grenze zwischen Württemberg und der badischen Vogtei Eberstein verlief. 

Schickhardts Bericht mit Karte
Schickhardts Bericht mit Karte

Hauptstaatsarchiv Stuttgart N220 T28-01 Permalink

Bei der Skizze findet sich folgende Bemerkung:
Vom Glattbrünnle bis in die Nagold ungefähr 1 Stunde Weg. Die Mosbach entspringt im Dorf Obermosbach. Lauft auf eine Stunde wegs in einem Wiesental bis in das Dorf Aach. Ist gering krumm und steinig. Es ist schwer zu schätzen, welche Kosten für die Flößbarkeitsmachung desselbigen anzuwenden sind. Der erwartete Nutzen kann nicht so groß sein, dass er die aufgewendeten Kosten trägt.
Das Glattbrünnle entspringt oben an dem Weiler Wald, ist eine gering …
hier endet der Text.
Auf der anderen Blatthälfte eine Beschreibung der Glatt:
Vom Glatbrünnle bis gen Hallwangen 1 Stunde, von Hallwangen gen Mosbach 1 Stunde, gen Aach 1 Stunde, von Aach gen Dornstetten 1 Stunde klein. Vom Sandgrund bei der Nagold neben und am Weiler Wald hat man bis gen Dornstetten 2 ½ Stunde, gen Altensteig 3 Stunden, zum Glattbrünnle 1 Stunde und gen Urnagold 1 Stunde. 

Realisiert wurde die Flößbarkeit auf der oberen Glatt nicht. 

Im Jahr 1623 wurde die Nagold flößbar gemacht. Danach folgten gewaltige Holzeinschläge im Weiler Wald. Nachfolgend besiedelten Pottaschebrenner, Köhler, Glasmacher und Kienrußbrenner das Gebiet. Die Waldverwüstung nahm ab Mitte des 17. Jahrhunderts solche Ausmaße an, dass der Forstmeister von Gaisberg zu Leonberg nach der Inspektion des Weiler Waldes an Herzog Karl Rudolph von Württemberg schrieb: „besichtigt und gefunden, dass über eine Stunde weit alles verhauen und kein aufrechtes Holz mehr da ist“. [15]


[1] Aus Pfalzgrafenweiler – Vom gräflichen Jagdsitz zum lebendigen Gewerbeort.
[2] N220 T28 01
[3] N220 T28 02
[4] Der Sandgrund liegt heute im Nagoldstausee, etwas unterhalb der oberen Staumauer.[5] 1 Clafter etwa 3,3 qm
[6] Es ist nicht sicher, ob Haug beide Funktionen gleichzeitig ausgeführt hat
[7] Pforzheim gehört zu Baden
[8] Kleine Flöße
[9] Heute Belzensteige genannt
[10] Brandesche Halde, heute Straße von der Erzgrube nach Hallwangen im Anstieg bei der Erzgrube
[11] Karte von Oettinger 1609 Altenstaiger Forst, Staatsarchiv N3 Nr. 1/26
[12] Währung nicht eindeutig lesbar, da abgekürzt
[13] Hier ist zu bedenken, das ein Waldvogt von Nagolt und ein Forstmeister von Altensteig kein Interesse an einer Verflößung außerhalb ihrer Reviere hatten
[14] 1 Gulden = 20 Schilling = 15 Batzen = 60 Kreuzer  = 240 Heller
[15]Aus Pfalzgrafenweiler – Vom gräflichen Jagdsitz zum lebendigen Gewerbeort.

 Weiteres zur Geschichte der Flößerei in Württemberg steht hier…

Entnommen aus: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, N220 T28-01. Permanet-Link auf den gezoomten Bildern.


Erstellt von Hans Rehberg

Letzte Änderung am 09.03.21