Flößerei

Etwas zur Geschichte der Flößerei
in Württemberg.

Göttingische Historisches Magazin
von C. Meiners und L. T. Spittler

Achter Band,
Hannover, im Verlage der Gebrüder Helwing 1791

Dieser Buchabschnitt aus dem Jahr 1791 soll einen kleinen Einblick in die Flößerei in Württemberg, auch zur Zeit Heinrich Schickhardts geben. Er zeigt die Hintergründe für die Untersuchung des Stockerbaches zur Flößbarkeitsmachung, um Brennholz über den Neckar nach Stuttgart zu transportieren.


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Historische Nachrichten vom
Wirtembergischen Floß-Wesen

In den eben so gelehrten als nützlichen Untersuchungen, womit Herr Hofrath Beckmann schon manchen Theil der Geschichte der Erfindung aufgeklärt hat, findet sich III. B. 2. St. n. 1. eine kurze Geschichte der Holz-Flösse, und die älteste deutsche Nachricht von einer Urkunde von 1410. bemerkt a) denn die ältere Spur einer Urkunde

a) Diplom der beiden Brüder Friedrich und Wilhelm, Landgrafen von Thüringen und Merkgrafen zu Meissen, worin sie wegen des in ihren Landen schon damals eingerissenen Holz-Mangels die Saale bis gen Weisenfels von allem Zolle so befreiten, daß von jedem auf diesem Fluß nach Jena kommenden Flosse nur ein Rheinischer Gulden, von Flössen aber die weiter hinab und bis Weisenfels giengen, zwey Rheinische Gulden entrichtet werden sollten, doch daß die Floß-Eigenthümer verbunden seyn sollten, für den an den Brücken etwa entstehenden Schaden einzustehen. v. Horn Leben Friedr., des streitbaren p. 754. Rudolphi Gotha diplom P.I.p.279. 

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von 1258. hält der Herr Hofrath mit Recht für ungewiß b).
Dieß veranlaßte mich, eine kleine Untersuchung in der Wirtembergische Geschichte hierüber anzustellen, und glücklicher Weise fand sich hier ein viel reicherer Vorrath von Materialien, als der ist, den man bisher in irgend einer anderen Landes-Geschichte gehabt hat.
Die älteste Urkunde, die über dies das Wirtembergische Floß-Wesen nicht erst in seiner Entstehung sondern schon als Object einer kaufmännischen Speculation zeigt, ist 68 Jahre älter, als die am angeführten Ort aus Rudolphi und Horn bemerkte älteste Urkunde, und es ist angenehm zu sehen, wie sich ein Institut, wodurch die entferntesten Theile des Landes in wechselsweise hülfreiche Verbindung gekommen, allmälig über das Ganze verbreitete.
Die Urkunde ist datiert Stuttgart den 17. Febr. 1342. Das Original derselben findet sich im Archive der Reichs-Stadt Heilbronn. Zum Nutzen der Bürger von Heilbronn wurde sie auch damals ausgestellt. c)
Markgraf Rudolf von Baden und Graf Ulrich von Wirtemberg vereinigten sich in derselben mit einander, die Bitte der Bürger von Heilbronn zu erfüllen.
b) Hornii Henricus illustris p.105. Pertuchii Chron, Portense p. 54.
c) Die Urkunde findet sich in der Beylage abgedruckt.

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Auf den vier Flüssen der Würm, der Nagold, der Enz und dem Neckar von da an, wo er die Enz aufnimmt, das Flössen zu gestatten, und ewig auf diesen Wassern eine geöffnete Strasse bleiben zu lassen.
Zimmer-Holz und Dielen durften geflößt werden. Von der Würm oder Nagold kam das Holz in die Enz, von der Enz in den Necker; es war also eine Combination von Anstalten nothwendig, wie man sie nicht leicht erwarten darf, wenn nicht Einrichtungen dieser Art schon lange im Gang sind, und bloß nur durch einen solchen Vertrag vervollkommt werden sollen.
Selbst schon der Gedanke, aus solchen entfernten Gegenden, als die der Nagold und der Würm waren, ordentliche Lieferungen von Zimmer-Holz und Dielen nach Heilbronn kommen lassen, setzt einen speculativen Unternehmungs-Geist voraus, wie er sich selten ohne mehrere Vorübungen im Kleinen, zu finden pflegt.
In der That war’s auch zunächst nicht Bedürfniß, sondern Handels-Geist und unternehmende Speculation, wie sie sich überall so schön in der Geschichte der Deutschen Städte im vierzehnten Jahrhundert zeugt, die entfernten Flüsse hier öffnete, und kleine Ströhme mit grösseren Ströhmen in Verbindung setzte.
Der Badischen und Wirtembergischen Unterthanen wird im Vertrage gar nicht gedacht; der Zweck des Vertrages war auch nicht, etwa das so genannte Wirtembergische Unterland, dem es am Holze vielleicht hie und da fehlen mochte, vom Schwarzwalde her mit Dielen und Zimmer.Holze versehen zu lassen. Sondern eine kleine Reichs-Stadt, die ganz am nördlichsten Ende der Wirtembergischen und zum Teil auch

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der Badischen Lande liegt, setzte beide beträchtlichen Staaten in Bewegung, und veranlaßte einen Verkehr, der sich in die uncultivirtesten und unbevökertesten Gegenden derselben erstreckte.
Zum Nutzen der Stadt Heilbronn und zum Nutzen beider contrahirender Fürsten, des Markgrafen von Baden und des Grafen von Wirtemberg, war der ganze Vertrag gerichtet. Das Bedürfniß der ersteren kann nicht etwa eigenes Bedürfniß gewesen seyn, den eigenes Bedürfniß hätte sie nie zwingen können, um ewige Oeffnung dieser weitgehenden Wasser-Strassen zu bitten, sondern ein Handel mit Zimmer-Holz und Dielen muß es gewesen seyn, der zu Heilbronn wer weiß wie lange angefangen, und der vielleicht weit und breit in der Nähe herum alles schon ausgesogen, und nun also entferntere Materialien zu suchen gezwungen war.
Wohl war denn auch das neue Institut recht zum Nutzen des Markgrafen und Grafen, und wie man hoffen durfte, noch lange hin zum Nutzen ihrer Nachkommen. Sie gewannen beide einen Holz-Verkauf in solchen Gegenden ihrer Lande, wo, wie man auf Jahrhunderten hinaussah, schwerlich je ein einheimischer oder naher Käufer sich gefunden haben würde. Sie konnten verkaufen, was man bisher unbenutzt stehen oder verfaulen lassen mußte, und gewannen auch eben so sicher an Zöllen, so sicher, endlich selbst ohne daß es gesucht wurde, eine neue Quelle der Reichthums gerade für die Bewohner des dürftigsten Theils ihrer Lande hier sich eröffnen mußte.
Allein auch nur als beyläufige Finanz-Nachrichten haben sich die ersten weiteren Spuren dieser Floß-Anstalten

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erhalten.
So findet sich, daß die Grafen von Wirtemberg Ludwig und Ulrich, da sie 1431 ihren Antheil an der Burg Lauffen nebst den zugehörigen Ortschaften verpfändeten, ausdrücklich von der Verpfändung ausnahmen die Dielen, die vom dortigen Zoll und Floß fallen d); und elf Jahre nachhher trafen sie die Verabredung unter einander, den Necker-Strohm wenigsten von Marbach an zu öffnen und schiffbar zu machen e).
Zunächst galt dieß zwar mehr den Handel als dem Floß-Wesen. Allein es zeigte sich bald, daß eine Benutzung die andere veranlasse, denn schon vom Jahre 1475 an hat man Nachrichten, daß damals auch auf dem Murrflusse, der bey Marbach in den Necker sich ergießt, geflößt wurde f). Also auch die im Nordöstlichen Theile von Wirtemberg gelegenen Waldungen konnten jetzt benutzt werden; alle vorhergehende Floß-Anstalten hatten sich bloß auf Benutzung der südwestlichen Theile bezogen.
Nur Floß-Anstalten auf dem Necker schienen noch zu fehlen, und ehe man sich diese eingerichtet hatte, waren die hinteren Forsten des Schwarzwaldes noch immer gleichsam verschlossen. Endlich kam aber den 12. Oktober 1484 ein Vertrag zwischen Erzherzog Sigismund von Oesterreich-Thyrol als Innhaber der Grafschaft Hohenberg und den damaligen Grafen von Wirtemberg und der Reichs-Stadt Eßlingen zu Stande.
d) Sattler Gesch. der Grafen von Wirtemberg 2. Fortsetzung V. Abschn. §. 30 S. 110
e) l. c. §. 50 S. 134
f) l. c. 3. Forts. VI. Abschn. S. 108

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Der Necker von Sulz an bis Lauffen hinab wurde geöffnet; jährlich von Martini bis Jakobi sollte ungehindert geflößt werden dürfen g).
Doch wiederholte Verträge waren nothwendig, bis alle Schwierigkeiten endlich behoben waren. Man verglich sich mit Oesterreich fernerhin in den Jahren 1524, 1527, 1590 und 1593, und auch diese Verträge konnten nicht einmal jede Schwierigkeit ausgleichen. Die Einrichtungen, die zu Floßbarmachung auch der Neben-Flüsse und Bäche getroffen werden müssen, sind den Eigenthümern der Güter, durch welche sich der Fluß zieht, so mannichfaltig beschwerlich, und die Territorien der grösseren und kleineren Herren, in Schwaben so gemischt unter einander, daß noch mit einigen Mitgliedern der Ritterschaft und anderen Gutherren besondere Verträge geschlossen werden mußten, die sich bald auf die Benutzung einiger kleinen, in den Necker ergiessenden Flüsse bezogen, bald aber auch den Schaden betrafen, den etwa angränzende Güter durch die getroffene Floßanstalten leiden mochten.
So wurden 1505 und 1518 Verträge mit Veit von Bubenhofen und dem Kloster Alpirspach wegen des Flössens auf dem Heimbach und der Glatt gemacht; andere Recesse 1523 mit Hans von Rechberg und dem erstgenannten Kloster; 1524 und 1590 Verträge mit denen von Neuneck, das Flössen auf der Glatt betreffend.
Merkwürdig ist aber dabey noch, daß alle jene Verträge mit Oesterreich und also auch die anderen Verträge, die sich darauf bezogen, bloß das Flössen in zusammengebundenen Stämmen betreffen; des Scheiterholz-Flössens wird nie darin gedacht, der Necker

g) s. zweiyte Beylage dieser Abhandlung.

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scheint also damals dazu noch nicht benutzt worden zu seyn.
 Eine der ersten, recht deutlichen diplomatischen Meldungen von Scheiter-Holz-Flössen findet sich 1517. Herzog Ulrich erlaubte in diesem Jahr seinem Vogt zu Großbotwar Trautwein Behinger, groß und klein Holz auf der Murr zu flössen, und 33 Jahre nachher findet sich ein ordentlicher Contract, den Wirtemberg und Baden mit einander schlossen wegen Ueberlassung einer Quantität von Klafter-Holz aus den Wirtembergischen Waldungen, die auf dem Reichenbach, der sich oberhalb von Pforzheim mit der Nagold vereinigt, und auf der Eyach, die oberhalb Neuenburg in die Enz fließt, geflößt werden solle. Vom Reichenbacher Holz wurde das Klafter für vier Kreuzer erlassen; vom Eyacher Holz das Klafter für 3 Kreuzer 1 Heller.
Nach Einrichtungen dieser Art, wodurch der Necker- und Enzfluß hinlänglich benutzt zu werden schienen, war kein Strohm mehr übrig, der die forstwirtschaftliche Aufmerksamkeit noch reitzen mußte, als die Nagold. Sie fließt durch ein zehn Stunden langes Tal, dessen Gebürge mit Tannen-Holz aller Art recht reichlich und dick bewachsen waren.
Herzog Christoph ließ sich deshalb gleich nach seinem Regierungs-Antritt von seinem Cammer-Räthen ein Bedenken stellen, ob es vortheilhaft sey, die Nagold floßbar zu machen. Das den 16. November 1551 gestellte Bedenken fiel zwar bejahend aus, aber zugleich auch wurde gezeigt, mit wie vielen Herrschaften man sich in Tractate einlassen müßte, um ein vollendetes Werk zu Stande zu bringen. Die Sache

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unterblieb also, und man scheint, selbst durch diese Schwierigkeit gereizt, allmälig mit der Frage sich vertraut gemacht zu haben, ob würklich denn alle die kleinen Herrschaften befragt und Vergleiche mit ihnen geschlossen werden müßten, deren Güter und Besitzungen die Ufer der Nagold ausmachen. Von 1583 findet sich ein rechtliches Bedenken, ob man nicht Wirtembergischer und Badischer Seits befugt wäre, durch das kleine Territorium der Commende Rohrdorf hindurch die Floßbarmachung und Oeffnung der Nagold geradezu ausführen zu lassen.
28. Juli 1588 wurde die erste Wasser-Ordnung für den Enzfluß publicirt h). In derselben war bestimmt, wie und wenn und mit welchem Holz-Stämmen das Flössen auf diesem Flusse erlaubt sey. Erst 35 Jahre nachher konnte eine gleiche Ordnung für die Nagold erlassen werden. j)
Erst nehmlich Herzog Friedrich, der 1593 zur Regierung gekommen, griff es endlich mit Ernst an, alle Schwierigkeiten, die, wie Christoph schon fand, vorzüglich in Ansehung der Nagold sich zeigten, aus dem Wege räumen zu lassen.
Er hatte mit den Holländern Holz-Tractate geschlossen, konnte aber die zugesagten Holz-Stämme nicht liefern lassen, weil die Floßbarmachung der Nagold noch nicht vollendet war. Das Werk wurde also betrieben, aber doch leider ohne daß er, der der erste Urheber jenes in’s grosse gehenden Plans war, auch noch Früchte seines Plans selbst genossen hätte. Es geschah erst 1691, daß man anfieng für die Holländer in den Wirtembergischen

h) s. Forst- und Jagd-Biblioth. III. St. S. 164 ff.
i) 1. Oct. 1623 Erschien gedruckt 1667.

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Waldungen Holz zu fällen. Auch hier zeigte sich, welchen Todes-Stoß der dreyssigjährige Krieg aller Deutschen Industrie gab!
Da 1691 zum ersten mal in denen an der Enz liegenden Wildbader Waldungen, und 1692 zuerst in denen an der Nagold liegenden Liebenzeller Forsten, Holz für die Holländer gefällt wurde, so erhielten sie den Stamm zu einem halben Gulden.
Gegenwärtig aber wird der Stamm Tannen-Holz 70 Schuh lang und am Zopf-Ende 16 Zoll dick um 20 Gulden verkauft; der Preis ist also innerhalb eines Jahrhunderts 39 mal höher gestiegen.
Es würde unnütz seyn, allen den kleinen Verbreitungen der weiteren Floß-Anstalten nachzugehen, wie hier noch ein paar Bäche benutzt, und dort noch ein kleiner Strohm, oft mit grossem Vortheil, in den allgemeinen Floß-Plan aufgenommen wurde k) ohne

k) So wurde die Erms, die in den Uracher Forsten entspringt und ein sechs Stunden langes Tal bewässert, 1675 und 1676 zum Flössen des Scheiterholzes zugerichtet, und dadurch ein beträchtlicher Bezirk der auf der Alp befindlichen Laub-Waldungen zur Benutzung aufgeschlossen. Noch wird alle Jahre eine gewisse Quantität Scheiterholz durch die Erms in den Necker, und durch den Necker in ein Brennholz-Magazin geschafft, das nur eine kleine Stunde von Stuttgart entfernt ist.
1723 wurde die Rems, die sich bey dem Orte gleiches Namens mit dem Necker vereinigt, und der bey Schorndorf in die Rems fliessende Wießlaufbach, und der Bärenbach, der bey Pliederhausen in die Rems kommt, und der Wolkerspach, der bey Lorch einfließt, zum Scheiterholz-Flössen zugerichtet. So wurden die Forsten auf dem so genannten Welzheimer – 
Kommentar weiter am Ende der nächsten Seite

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ohnedies würde die beste Beschreibung unverständlich bleiben, wenn man ihr nicht auf einer guten hydrographischen Charte des Herz. Wirtemberg selbst nach gehen kann. Nur der Anstalten, die wegen des Murgflusse gemacht wurden, muß noch gedacht werden.
Der Murgfluß entspringt im Südwesten der Wirtembergischen Lande, fließt denn eine Zeit lang durch’s Wirtembergische selbst, bis er in die Grafschaft Eberstein eintritt, und endlich unweit Rastadt in den Rhein ergießt.
Es ist ein reissender, unbändiger Fluß, und an manchen Orten hat er einen sehr starken Fall. In seinem Bett liegen grosse, pyramidenähnliche Felsenstücke, und es schien unmöglich, ihn je floßbar zu machen, so wünschenwürdig es auch war, denn das in den dortigen Waldungen befindliche Holz konnte ohne Floß-Anstalten gar nicht benutzt werden.
Es wurde nicht anders benutzt, als daß hie und da ein Bewohner des Murg-Thals  eine Buche fällte, und sie so lange liegen ließ, bis er Schwämme zum Feuer-Zunder davon nehmen konnte, oder ein anderer die nächste beste Tanne anriß, und das Harz für sich brauchte.
Man faßte schon 1617 den Entschluß, einen Versuch zu machen; allein die physischen Schwierigkeiten waren zu groß. Man kam 1711 auf die Idee wieder zurück, ließ die dortigen Waldungen beaugenscheinigen, das Bett des Flusses untersuchen; allein nun erst schien man recht zu finden, wie unmöglich

weiter k) Wald gleichsam geöffnet, und nachher auch durch eine besondere kunstvolle Einrichtung das Holz aus den Linburgischen Gegenden benutzt. s. Preschers Gesch. und Beschr. von limburg I.Th. S. 60.

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es sey. Doch machte man 1714 und 1716 neue Versuche, und schloß 1718 mit Baden-Baden deshalb einen Receß; allein auch die Vollziehung dieses Recesses fand Schwierigkeiten, weil das Hochstift Speier dazwischen kam, dem ein Theil des an der Murg liegenden Städtchens Gernspach gehört.
Man wandte von 1720 bis 1730 fast einen halbe Tonne Goldes auf; es wurde auch würklich einiger Anfang mit Flössen gemacht, allein das Werk mußte wieder liegen bleiben.
Erst endlich vor ungefähr dreyssig Jahren setzten einige Unternehmer von Baden und Calw das ganze Werk in Stand, das nun seit diesem ununterbrochen auf’s herrlichste fortgeht.
So ist endlich auch erst unter der gegenwärtigen Regierung jenem uralten Vertrage von 1342 vollends noch die Ausdehnung verschafft worden, die er haben mußte, wenn er ganz nützlich für Wirtemberg seyn sollte.
Kraft des Vertrags durfte auf der Würm, Nagold und Enz, so weit diese Flüsse durch’s Badische gehen, nur Holz in zusammengebundenen Stämmen geflößt werden.
Man mußte also einen grossen Theil des schönsten jungen Holzes zum Zusammenbinden der Holzstämme nehmen, das Ab- und Gipfelholz von den Langholz-Stämmen konnte in manchen Gegenden der Schwarzwald-Forsten gar nicht benutzt werden, sondern blieb zum Schaden des Anflugs und Ausschlages liegen.
Dem allem wurde durch den (d. 27. Apr. 1647) mit Baden geschlossenen Receß geholfen, weil nun auch Scheiter-Holz auf diesen Flössen geflößt werden konnte. Die Brennholz-Niederlagen zu Vaihingen und Bissingen und endlich auch seit 1784 die zu Bietigheim wurden zum grossen Nutzen ganzer Gegenden des Landes errichtet.

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Floß-Vertrag zwischen Wirtemberg und Baden
Stuttgart, am weissen Sonntag 1342

Wir Markgraff Rudolf von Baden und Wir Graf Ulrich zu Württemberg verjahen öffentlich an diesem Brief, für Uns, Unsere Nachkommen, und thun kund allen denen, die immer ansehend, lesen oder hören lesen, daß Wir durch Nutz und Frommen, Unser, Unser Erben und all Unser Nachkommen, und auch durch Bitt, der ehrsamen Leuth, der Burgermeister, des Raths und der Burger gemeinlich zu Heilbronn seyen überkommen umb des Flötzen uff der Wirm. uff der Nagold, uff der Enz und uff dem Neckar, also, daß Wir dieselben Wasser und auch die Strassen uff denselben Wassern seyn soll und bleiben, zu gleicher Weiß als hernacher geschrieben stehet.
Vorerst so haben Wir die Wirm geöffnet, bis gen Pforzheim in die Enz, und wer darauf flötzen will, der soll von jedem Hundert Zimmerholz, oder von jedem Hundert Thielen geben zu Zoll, zu Liebeneck an dem Wehr sechs Heller.
Darnach so haben Wir die Nagold geöffnet, bis gen Pforzheim in die Entz, und wer darauf flötzen will, der soll von jedem Hundert Zimmerholz oder von jedem Hundert Thielen geben zu Liebenzell an dem Wehr zu Zoll sechs Heller, und zu Weissenstein zehen Heller.

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Darnach haben Wir die Entz geöffnet, als fern man darauf geflotzen mag, bis gen Beßigheim auf dem Neckar.
Darnach so haben Wir den Neckar geöffnet zu Besigheim, bis gen Heilbronn an die Stadt-Mauer, mit solcher Bescheidenheit, wer darauf flotzen will, der soll von jedem Hundert Zimmerholz oder Thielen geben zu der Neuenburg zu Zoll von zweyen Wehren zwanzig Heller, darnach zu flotzen von vier Wehren vierzig Heller, zu Oettingen von einem Wehr vier Heller, zu Dürmetz von einem Wehr vier Heller, zu Lomersheim von einem Wehr vier Heller, zu Mühlhausen von einem Wehr vier Heller, zu Roßwaag von einem Wehr vier Heller, zu Vaihingen von zweyen Wehren zwanzig Heller, zu Ober-Rixingen von einem Wehr vier Heller, zu Reinken von einem Wehr vier Heller, zu Bessigheim von zweyen Wehren zwanzig Heller.
So ist auch geredt, zu welchem Wehr man Zoll gibt, als vorgeschrieben steht, da soll jeder Herr, jeder arm Mann, dem man den Zoll gibt, Schutz-Britter an desselb Wehr machen, das zwischen den Säulen seye, zwelff Schuh weit, und sollen die Schutz-Britter bauen und machen, ohne der Fourleuth Schaden, man soll auch zu keinem Vischwehr noch irgend andern, dann als vorgeschrieben ist, kein Zoll, noch nichts geben.
Wär auch, daß das Wasser irgend vergrüßt oder vergründet würde, oder daß ohnnütz würde, daß man nicht wohl flötzen möge, bey welcher Mühl

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oder Wehr es geschehen, der soll es ußrichten und fertig machen, ohne der Fourleuth Schaden.
Es ist auch geredt, was uff den Flotzen leit, ungefährlich von Holz, es seye uff Zimmerholz oder uff den Thielen, oder wäre, daß man scheltlich oder leeg Schiff an die Flötz hengt; das soll alles frey und ohne Zoll fahren und gehen, und auch niemand den andern verbiethen noch bekümmern, das an das Flotzen geirren oder hindern möcht, und in keinem Weege, ohne alle Gefehrde.
Es ist geredt, was uff dem Flotz leit von Holz oder was darauf färt von Furleithen das soll uff und ab Fried und Gleit haben für allermenniglichs. Es seye zum Krieg oder ohne Krieg, dasselb Gleitt sollen auch die Kauffleuth haben, die Holz kaufend, oder ungefehrlich kaufen wollen, sie fahren uff den Flötzen, sie gangen, reutten auf dem Land uff und ab, ohn all Geferde.
Wer aber darwider thut und den Frieden und das Gleitt überführe oder breche, des sollen Wir Markgraff Rudolf von Baden und Wir, Graff Ulrich von Württemberg oder Unsere und alle Unsere Nachkommen wehren und wenden, als sehr Wir künden und mögen, ohne all Gnade.
Des zu Urkund und einer ewigen Gezeugnuß haben Wir Markgraff Rudolff von Baden und Graff Ulrich von Württemberg die vorgenannten, diesen Brief besiegelt, mit Unseren Insiegeln, die daran hangend.

Der

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und fürderhin allso offen gehalten werden, uhngefahrlich, doch mit sollichem Geding, hernach beschriben.
Item  daß mit den Flössern verfügt werd, daß sie an die Flöß nit hennkhen, und ob bey ainem, oder mehr sollich Anhenkhen würd funden, der oder dieselben sollen, so dick sich das begeb, zu Peen geben Ein Pfund Heller: Item,  und wo sie fahren, durch die Durchläß oder Fach, so sollen sie die Flöß mit Leutten also versehen, damit sie an Durchlässe, an Wuohrn oder Fachen nit Schaden thun, bey einer Peen ein Pfund Heller: Und wo ainer ein Durchlaß nit wieder fürthet, oder das Britt im Weeg ließ, so soll derselbe zu Peen geben, fünf Schilling Heller.
Item  wo sich auch erfindt, uff und in den Wassern, daß sie den Leutten Schaden thäten, mit Stehlen oder Schlahen, der soll zur Peen geben, ein Pfund Heller, und welche Rinsen, oder legschiff huben, die sollen Drey Pfund zu Peen geben.
Item  sie sollen nit länger im Jahr flößen, dann von Sankt Martins Tag bis uff St. Jakobis Tag, und darnach still stohn mit solchen Flössen biß uff Martini, und darnach von Martini wieder anfahen zu flößen bis Jakobi: Item  solcher obgemellter Peen, sollen halb den Herren, in dem Gebuett, da diß geschiehet, und dann der andere halbe Theil den Fischern werden, deß sollich Wasser ist.
Item  des Fischens halb ist abgeredt, daß fürter keiner mehr mit Berenhamen, mit Angeln, und sonst in keinem ander Weg im Nekher fischen solle, der Nekher ganz dann über die Gestaden uß, und daß

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man ihn weder reutten noch fahren mög. Und welcher das überfehrt, der soll Ein Pfund Heller zur Peen geben.
Item  fürter sollen die Fischer, und ander, doe sich zu Zeiten, so der Nekher ußgeht, zu fischen vermessen, im Nekher Berblin, Nasen und Schuopfisch, Vorhennen, Aeschen, Hecht und Karpfen nit kürzer, sonder lennger, dann das Meß ist, fahen, sie tragen, die in geüben, oder sust an Ablosung ainer Peen 10 Pfund Heller, und wer die Kaufft, oder ißet, sollen sollich Peen auch geben, und welche sie fahen, sollen je ainer den andern, und darzu all geschwornnen darumb riegen, bey der obgemellten Peen, und solche jetzgemellte Poenen an den Vischern sollen gantz den Herren werden, da die gefallen.
Uff das Alles gereden, und versprechen Wir vorgenannten Partheyen alle, für Uns, alle Unsere Erben, Nachkhommen, und Zugewandten, disen Vertrag, und alle vorgeschriben Punkten, und Artikhel getrewlich, ussrecht, und uhngefährlich nachzukommen, doch allso, das sollichs Alles, wie obgeschriben steht, soll gehalten werden, bis uff Unser obgenannten dreyen Thailen, und Unser jeglichs besonder, und Unser Erben, und Nachkhommen widerruofen.
Und daß Alles zur wahren offene Urkhundt, so haben Wir obgenannten, Erherzog von Oesterreich u. Unnser Insigel, und Wir Grav Eberhardt der Ellter, und Grav Eberhardt der Jüngere von Württemberg u. unser gemain Innsigel, und Wir Burgermaister, und Rhat zur Eßlingen, derselben Statt Innsigel, offentlich thun hennkhen an disen Brief, der drey

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lauttende gemacht sindt, jeglicher Parthyen ainer gegeben ist, am Zinnß-Tag, nechst vor Sanct Gallen-Tag, nach Christi unnsers Herren Geburt, Vierzehenhundert, Achtzig, und in dem viertem Jahr.

Entnommen aus Google Books: Göttingische Historisches Magazin von C. Meiners und L. T. Spittler, Achter Band, Hannover im Verlage der Gebrüder Helwing 1791.

Übertragen von Hans Rehberg

Letzte Änderung am 09.03.21